
Dachentwässerung im Klimawandel
Neben der reinen Ableitung liegt der Fokus zunehmend auf der nachhaltigen Nutzung, Reinigung und Versickerung des Regenwassers, wobei nicht nur denr Schutz des Gebäudes, sondern auch der Umwelt im Fokus steht. Der Klimawandel und seine Auswirkungen verstärken diesen Wandel und machen eine Anpassung der Anforderungen an moderne Dachentwässerungssysteme unverzichtbar.
Global gesehen steigen die Temperaturen im Jahresmittel kontinuierlich an. Betrachtet man dies kleinteiliger, auf europäischer oder deutschlandweiter Ebene, zeigen sich durch geografische Einflüsse etwas größere Abweichungen. Eine anschauliche Darstellung dazu bietet die Internetseite: https://showyourstripes.info/
Die für die Dachentwässerung wichtigen Daten, insbesondere die Niederschläge, können auf der Seite des DWD (Deutscher Wetterdienst) abgefragt werden. Die Normalwerte beziehen sich auf den Zeitraum von 1971 bis 2000, und im Vergleich dazu können für verschiedene Kalenderjahre oder Jahreszeiten die Abweichungen vom Normalwert grafisch angezeigt werden.
Trends in der Niederschlagsmenge
Seit 1881 hat die mittlere jährliche Niederschlagsmenge in Deutschland um rund 8 Prozent zugenommen. Dieser Anstieg verteilt sich jedoch nicht gleichmäßig auf die Jahreszeiten. Insbesondere die Winter sind deutlich nasser geworden, während die Niederschläge im Sommer geringfügig zurückgegangen sind. Im Durchschnitt steigt mit den Temperaturen auch die Verdunstung von Wasser an, was insgesamt zu größeren Niederschlagsmengen führt. Allerdings treten regional und saisonal große Unterschiede auf – von Dürren bis hin zu Überschwemmungen.
Aus dem Klimawandel resultieren folgende Auswirkungen auf die Dachentwässerung:
- Moderate Zunahme der Gesamtniederschläge im Jahresmittel
- Verschiebung der Regenereignisse in die Wintermonate
- Längere Trockenzeiten im Sommer
- Zunahme von Starkregenereignissen
Berechnung der Regenwassermenge nach DIN 1986-100
Um zu verstehen, wie die Folgen des Klimawandels die Dachentwässerung beeinflussen, muss man zunächst betrachten, wie diese berechnet wird. Die Formel zur Berechnung der Regenwassermenge Q ist in der DIN 1986 100 zu finden.
Q = | r(5,5) * Cs * A |
10000 |
Der erste Faktor ist die Berechnungsregenspende r(5,5). Dies ist ein Wert, der angibt, wie viel Regen über einen bestimmten Zeitraum und mit einer bestimmten Jährlichkeit zu erwarten ist. Er wird in l/s∗ha angegeben. Für Dachentwässerungen wird der 5-Minuten-Regen zugrunde gelegt, der alle 5 Jahre erwartet wird. Die Berechnungsregenspende wird im Anhang A der DIN 1986-100 angegeben. Diese Werte sind jedoch veraltet und wurden seit 2016 bereits zweimal angepasst.
Die aktuellen Niederschlagswerte sind im KOSTRA-Atlas des Deutschen Wetterdienstes (DWD) zu finden. Die neueste Version, der KOSTRA-Atlas DWD 2020, wurde am 1. Januar 2023 veröffentlicht und enthält die Datenreihen der Jahre von 1951 bis 2020. KOSTRA steht für "Koordinierte Starkniederschlagsregionalisierung und -auswertung" und liefert regelmäßig aktualisierte Werte zur Regenspende, die für Berechnungen verwendet werden und die Niederschlagsentwicklung widerspiegeln.
Der Faktor Cs ist der Spitzenabflussbeiwert, ein dimensionsloser Faktor, der angibt, wie viel Regenwasser auf die Dachfläche fällt und im Vergleich dazu durch die Dachentwässerung abgeleitet werden muss. Er hängt stark vom Dachaufbau ab. Zum Beispiel hat ein Foliendach einen Spitzenabflussbeiwert von 1, während ein intensiv begrüntes Dach mit mehr als 30 cm Aufbaudicke einen Spitzenabflussbeiwert von 0,2 aufweist. Diese Werte sind ebenfalls in der DIN 1986-100 angegeben. Gegenüber der Ausgabe vom Mai 2008 wurden die Werte der FLL (Richtlinie zur Planung, Ausführung und Pflege von Dachbegrünungen) übernommen.
Prinzipiell kann man sagen, dass bei einem kleineren Abflussbeiwert die Regelentwässerung ebenfalls kleiner dimensioniert wird. Die Notentwässerung hingegen muss größer ausgelegt werden, da der Spitzenabflussbeiwert Einfluss auf die Differenz zwischen der Regel- und Notentwässerung nimmt:.
QNot = | (r(5,100) - r(5,5)) * Cs * A |
10000 |
Berechnungsbeispiel:
- Berechnungsregen r(5,5): 300 l/s x ha
- Jahrhundertregen r(5,100): 600 l/s x ha
- Dachfläche: 1.000 m²
Abflussbeiwert Cs | Berechnungsregen | Notentwässerung |
1,0 | 30 l/s | 30 l/s |
0,8 | 24 l/s | 36 l/s |
0,5 | 15 l/s | 45 l/s |
0,2 | 6 l/s | 54 l/s |
Der letzte Faktor A ist die Fläche. Für die Berechnung wird die im Grundriss projizierte Fläche angenommen, unabhängig davon, ob es sich um ein Satteldach oder ein Flachdach handelt. Die Einheit der Fläche beträgt Quadratmeter (m²), wodurch sich der Divisor von 10.000 durch die Einheiten Quadratmeter und Hektar (ha) erklärt. Mit Formel 1 wird die Regenwassermenge und damit die Dimensionierung der Regelentwässerung für die gesamte Dach- oder Teilfläche berechnet. Teilflächen werden bei unterschiedlichen Dachaufbauten oder variierender Höhe des Gründachaufbaus gebildet, da unterschiedliche Spitzenabflussbeiwerte Cs berücksichtigt werden müssen.
Lösungen für längere Trockenzeiten und Regenwasserspeicherung
Die klimabedingten Änderungen der Niederschlagsmuster, wie die moderate Zunahme der Gesamtniederschläge im Jahresmittel, werden durch die Berechnungsregenspende r(5,5) und die Entwicklung der KOSTRA-Datensätze seit 1951 berücksichtigt.
Die Verschiebung der Regenereignisse in die Wintermonate stellt für die Dachentwässerung kein Problem dar, da dies der Kern ihrer Aufgabe ist. Längere Trockenzeiten im Sommer hingegen stellen eine neue Herausforderung dar. In der Vegetationsphase bedeuten Trockenperioden Stress für die Pflanzen auf begrünten Dächern. Hier kann das Regenwassermanagement unterstützend wirken.
Es gibt verschiedene Lösungsansätze:
Eine Möglichkeit ist der Einsatz einer mechanischen oder festen Drossel, bei der ein Teil des Regenwassers auf dem Dach zurückgehalten und in Retentionsboxen gespeichert wird. Dieses Wasser kann beispielsweise über Kapillarsysteme in die Vegetationsschicht zurückgeführt werden und dient während Trockenzeiten zur Bewässerung.
Eine weitere Lösung ist das Ableiten des Regenwassers in ein Rigolensystem. Dieses System kann auf dem Grundstück im Erdreich oder unter Parkflächen installiert werden. Sensoren im Gründach messen die Feuchtigkeit in der Vegetationsschicht, und über Pumpen, Rohre und Tropfsysteme wird das Wasser bei Bedarf wieder auf das Dach zurückgeführt.
Diese zweite Variante bietet den Vorteil, dass größere Regenwassermengen zwischengespeichert werden können und auch andere Pflanzen auf dem Grundstück von der Bewässerung profitieren. Technisch ist diese Lösung aufgrund der Sensoren, Pumpen und der notwendigen Steuerung aufwendiger. Eine gewerkeübergreifende Abstimmung während der Planungsphase ist erforderlich, da unterschiedliche Pflanzenarten und die Höhe der Vegetationsschicht verschiedene Bewässerungsanforderungen mit sich bringen.
Einleitbeschränkungen erfordern neue Entwässerungslösungen
Die Zunahme von Starkregenereignissen führt häufig zu einer Überlastung der Kanalisation. Viele Kommunen haben daher in den letzten Jahren Einleitbeschränkungen eingeführt, wie sie auch in der DIN 1986-100 vorgesehen sind. Diese Norm schreibt vor: „Bei Einleitbeschränkungen des Kanalnetzbetreibers muss eine Niederschlagswasserrückhaltung auf dem Grundstück geplant werden.“ Die jeweilige kommunale Satzung ist für die Planung entscheidend und muss beachtet werden.
Die Stadt Erfurt regelt beispielsweise in ihrer Entwässerungssatzung unter §6 „Einschränkung des Anschluss- und Benutzungsrechts“: „Um die hydraulische Überlastung des Kanalnetzes zu vermeiden, kann die Stadt von den Anschlussberechtigten verlangen, dass das Niederschlagswasser auf den Grundstücken durch geeignete Maßnahmen zurückgehalten wird.“ Solche Maßnahmen können unter anderem Retentionsaufsätze an Dachabläufen sein. Diese Drosseln verzögern den Abfluss des Regenwassers, da die Drosselbohrungen nur eine bestimmte Menge abfließen lassen. Dies führt während eines Regenereignisses zu einem Wasseraufstau auf dem Dach, der statisch berücksichtigt werden muss.
In der Praxis haben sich oben offene Rohre als zuverlässige Lösung bewährt. Diese Rohre, die durch Dichtungen in den Dachablauf integriert sind, dienen zugleich als Überlauf und stellen sicher, dass der maximale Wasseraufstau nicht überschritten wird, wodurch eine statische Überlastung des Daches vermieden wird.
Die Dimensionierung der Dachabläufe mit einer Retentionsdrossel ist normativ nicht festgelegt. Sie kann jedoch gemäß DIN 1986-100 anhand der bekannten Regenwassermenge (Formel 1) oder alternativ nach dem Ablaufwert der Drossel ermittelt werden. Dadurch kann es erforderlich werden, den Ablauf ein oder zwei Größen kleiner zu dimensionieren. Um normkonform zu planen, wird empfohlen, sich nach DIN 1986-100 zu richten. Dies hat den Vorteil, dass der Ablauf nicht zu klein bemessen wird.
Wartung von Dachabläufen nach DIN 1986-3
Die Wartung von Dachabläufen erfolgt gemäß DIN 1986-3 und ist grundsätzlich zweimal im Jahr, insbesondere im Herbst, durchzuführen, um beispielsweise Laub zu entfernen und einen ungehinderten Abfluss des Regenwassers sicherzustellen. Die DIN wurde im Mai 2024 neu aufgelegt und berücksichtigt nun auch gedrosselte Abläufe, die viermal im Jahr gewartet werden müssen. Die Vorgaben der Hersteller sollten ebenfalls beachtet werden, da hier individuelle Reinigungsintervalle festgelegt sein können.
Komplexe Anforderungen an moderne Dachentwässerungssysteme
Die Anforderungen, die an eine moderne Dachentwässerung gestellt werden, richten sich nach den Entwässerungsaufgaben des Dachaufbaus und den kommunalen Vorgaben. Dies kann die reine Funktion der Dachentwässerung, das planmäßige Zurückhalten des Wassers auf dem Dach mittels Retentionsabläufen oder des Grundstücks umfassen, bis hin zu speziellen Anforderungen in Bezug auf die Dachkonstruktion von Gründächern mit Unterdruckabläufen. Nicht alle Aspekte sind jedoch normativ geregelt und entsprechen in den Regelwerken dem aktuellen Stand der Technik. Ein Beispiel dafür ist die Entwässerung von Umkehrdächern.
Hilfreiche technische Vorgaben für solche Planungen finden sich auf den Internetseiten des Bundesverbands GebäudeGrün, die in Zusammenarbeit mit Industriepartnern entwickelt wurden und als Orientierung dienen können. Die Planung von Dachentwässerungen ist ein anspruchsvoller Prozess, der eine gewerkeübergreifende Abstimmung erfordert. Für fachkundige Unterstützung steht Ihnen der Industriepartner Ihres Vertrauens zur Verfügung, der mit einer kompetenten Anwendungstechnik Ihre Planung begleitet.
Autor
Mathias Johr, ACO Haustechnik
Technischer Referent und geprüfter Fachplaner für Starkregenvorsorge
Hilfreiche technische Vorgaben für solche Planungen finden sich auf den Internetseiten des Bundesverbands GebäudeGrün, die in Zusammenarbeit mit Industriepartnern entwickelt wurden und als Orientierung dienen können.
Die Planung von Dachentwässerungen ist ein anspruchsvoller Prozess, der eine gewerkeübergreifende Abstimmung erfordert. Für fachkundige Unterstützung steht Ihnen der Industriepartner Ihres Vertrauens zur Verfügung, der mit einer kompetenten Anwendungstechnik Ihre Planung begleitet.
Weiterführende Informationen erhalten Sie auf
- https://showyourstripes.info/
Grafische Darstellung der Temperaturabweichungen zum Jahresmittel 1971-2000 über den Zeitraum ca.1881-2023 - https://www.dwd.de/DE/klimaumwelt/klimaatlas/klimaatlas_node.html
Niederschläge in Deutschland Jahresmittel 1971-2000 und die Abweichungen für einzelne Kalenderjahre - https://www.gebaeudegruen.info/service/downloads/bugg-fachinformation
Fachinformationen des BuGG e.V.
sowie gerne bei der
ACO Passavant GmbH
Im Gewerbepark 11c
36466 Dermbach
Telefon 036965 819-0
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ACO Haustechnik mit Sitz in Philippsthal (Hessen) und Dermbach (Thüringen) ist innerhalb der ACO Gruppe der Spezialist für die Bereiche Entwässern, Abscheiden und Pumpen in privaten und gewerblichen Gebäuden. Als einer der führenden Anbieter von Systemlösungen verfügt ACO Haustechnik über jahrzehntelang gewachsene Objekt-Kompetenz. Sie gibt Planungsbüros und Fachhandwerksbetrieben die Sicherheit, sowohl bei der Projektierung als auch bei der Ausführung in den sicherheitsrelevanten Aufgabenfeldern Brandschutz, Schallschutz, Hygiene und Montage einen hinsichtlich Produkt und Service gleichermaßen verlässlichen, am gemeinsamen Erfolg orientierten Partner zu haben.

Temperaturwandel in Deutschland 1881 bis 2023 Bildquelle: Ed Hawkins, Show Your Stripes, https://showyourstripes.info, Oktober 2024

Normalwerte der monatlichen Niederschlagsmenge im September von 1971–2000. Bildquelle: Deutscher Wetterdienst

Abweichungen vom Normalwert der Niederschlagsmenge im September 2024. Bildquelle: Deutscher Wetterdienst

Mittlere jährliche Niederschlagshöhe in Deutschland 1881 bis 2023 Bildquelle: Deutscher Wetterdienst, Mitteilung 15.03.2024

Wasserbilanzmanagement durch gezielte Rückhaltung und Verdunstung von Regenwasser Bildquelle: ACO Haustechnik

Natürliche Wasserbilanz durch effizientes Regenwassermanagement Bildquelle: ACO Haustechnik

Mathias Johr, Technischer Referent und geprüfter Fachplaner für Starkregenvorsorge, ACO Haustechnik Bildquelle: ACO Haustechnik